Das Internet ist kein rechtsfreier Raum

Wir freuen uns über 20 Medienscouts. Unsere engagierten Schüler vermitteln jüngeren den verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Medien sowie deren Gefahren.

„Absichtliches Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen anderer mit Hilfe von Internet- und Handy-Diensten über einen längeren Zeitraum hinweg“ – Das ist die nüchterne Definition von Cybermobbing – Eine „seelische Folter“, unter der die Betroffenen manchmal sogar ein Leben lang leiden. Wichtig ist es, dass virtuell gemobbte gerade auch Kinder und Jugendliche dieser Art der Diffamierung nicht alleine gegenüberstehen, sondern Hilfe erhalten. Am Kaspar-Zeuß-Gymnasium stehen hierfür nunmehr 14 Neunt- sowie sechs Zehntklässler als Ansprechpartner für ihre Mitschüler zur Verfügung.

„Zu meiner Zeit brauchte man noch keine Medienscouts. Es gab weder Handy noch Computer, kein Internet und demzufolge auch keine sozialen Medien“, erklärte Amtsgerichtsdirektor Jürgen Fehn an seiner ehemaligen „Wirkungsstätte“, dem Kaspar-Zeuß-Gymnasium. Der in den 1990-er Jahren – ein Jahrzehnt später – rasant voranschreitende technische Fortschritt mit der Entstehung des Internets habe fast schon revolutionäre Veränderungen in nahezu allen wichtigen Lebensbereichen ausgelöst – unbestritten mit vielen Vorteilen, aber eben auch großen Nachteilen. Hierzu zähle insbesondere auch Cybermobbing, das sich immer mehr auf dem Vormarsch befinde und – so Jürgen Fehn – mittlerweile das Auge in Auge-Beleidigen abgelöst habe.

„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und das Internet vergisst nichts“, fand der Jugendrichter deutliche Worte. Ein Bild – einmal verschickt ist – sei kaum mehr zu stoppen. Entgegentreten könne man den Demütigungen und Beleidigungen in den Social-Media-Kanälen nur durch effektive Prävention; worin die Medienscouts ausgebildet worden seien. Als vertrauenswürdige Bezugspersonen für Schüler ebenso wie auch für Eltern und Lehrkräfte leisteten diese eine äußerst wichtige und wertvolle ehrenamtliche Tätigkeit. „Unsere Zielsetzung muss es sein, dass es nicht erst Cybermobbing-Opfer geben darf“, appellierte er. Von entscheidender Wichtigkeit sei dabei die Langfristigkeit; mache das Projekt doch nur Sinn, wenn es von Schülergeneration zu Schülergeneration hinweg weiter gefördert und fortgeführt werde. Wenn dies gelinge, dann lande eine Reihe möglicher Straftaten in diesem Bereich gar nicht erst auf seinem Schreibtisch. Sein Dank galt – neben den Medienscouts und ihrer Betreuerin Ute Schülner – insbesondere auch der Schulleitung, den Sponsoren sowie vor allem auch der – für die Grundausbildung der Medienscouts in Oberfranken hauptverantwortlich zeichnende – Opferhilfe Oberfranken (OHO).

„Wir wollen nicht, dass in Kronach irgendwann in der Presse steht: „Warum prügeln andere ihre Mitschülerin tot“, verdeutlichte OHO-Vorsitzender Alfons Hrubesch. Leider wisse man aus Erfahrung, dass es bei solchen – wie sich jüngst ereigneten – großen Vorfällen immer Nachahmer gebe. Die Medienscouts seien nahe bei ihren Mitschülern und merkten zuerst, wenn sich diese veränderten. „Wir müssen hellhörig werden und sofort ins Gespräch kommen“, forderte der pensionierte Polizist. Betroffenen riet er, ein Mobbing-Tagebuch zu führen und alles niederzuschreiben. Anfang Mai findet wieder die Bundesjugendkonferenz in Rostock für alle Medienscouts statt, um dabei neue Impulse zu erhalten und das eigene Wissen zu erweitern. Stolz zeigte er sich, dass der Bezirk Oberfranken mit der zahlenmäßig stärksten Gruppe aus ganz Deutschland daran teilnimmt.

„Wir wollen die neuen Medien keinesfalls an den Pranger stellen, sondern den verantwortungsvollen Umgang damit aufzeigen“, betonten die Medienscouts. Sicher zeigten sie sich, dass Jugendliche leichter auf Gleichaltrige zugingen als auf Lehrer. Als „Peers“ (Gleichaltrige) vermitteln sie Medienkompetenz in Workshops und persönlichen Gesprächen und informieren dabei zum Beispiel auch über die neue digitale Nutzungsordnung an der Schule, die den Schülern mehr Freiheiten im der Handynutzung gewährt. Gezielt gehe man auf die Bedürfnisse der jeweiligen Altersstufen ein; so gebe man in der Unterstufe beispielsweise nützliche Tipps und Verhaltensregeln rund um „WhatsApp“ und „TikTok“.

„Ohne euch wären wir ziemlich verloren. Ihr seid wichtige Übermittler von Nachrichten an die jüngeren Schüler“, lobte Schulleiterin Claudia Metzner, bei der man mit dem Projekt offene Türen einrennt. Erfreulicherweise habe man bereits wieder Interessenten für das nächste Jahr. An der Schule verfüge man über eigenes W-Lan, mit dem man sehr liberal umgehe, um den Schülern damit Vertrauen entgegenzubringen. Gleichzeitig werde man konsequent handeln und sofort den Weg zur Polizei zu gehen, sollte dieses Vertrauen missbraucht werden. „Wir wollen so etwas nicht an unserer Schule“, stellte sie klar.

Seitens der Polizeiinspektion Kronach zollte Alexander Fößel auch namens seines ebenfalls anwesenden Kollegen, den Jugendkontaktbeamten Dieter Fischer-Petersohn, allen Medienscouts größten Respekt und sicherte bestmögliche Unterstützung zu. Gleiches gilt auch für den neuen Leiter der Kronacher Hauptstelle der Sparkasse Kulmbach-Kronach, Phillip Laaber. So erhielten die Medienscouts als äußeres Erkennungsmerkmal gesponserte Jacken.

„Wir müssen zusammenhelfen und alle Möglichkeiten nutzen, die uns zur Verfügung stellen“, appellierte Alfons Hrubesch. Wenn man nur ein Cybermobbing-Opfer verhindern könne, habe sich der Einsatz schon gelohnt.

Heike Schülein