Aus dem Klassenzimmer in die Werkstatt

Vor Kurzem tauschte die 9. Jahrgangsstufe des Kaspar-Zeuß-Gymnasiums ihre Klassenzimmer mit Büroräumen, OP-Sälen oder Fitnessstudios. Es stand die Praktikumswoche zur Berufsorientierung im Lehrplan.

„Alle Schülerinnen und Schüler suchen sich zu Beginn des Schuljahres einen Praktikumsplatz“, erklärt Susanne Durynek, Mittelstufenbetreuerin am KZG. „Dort verbringen sie dann eine Woche und erstellen danach einen Bericht, in dem sie ihre wichtigsten Erfahrungen festhalten und die Woche reflektieren.“ Stolz erklärt sie, dass alle Schülerinnen und Schüler eine Praktikumsstelle gefunden haben. Für die Jugendlichen stand dann eine spannende Woche bei verschiedenen Firmen des Landkreises, in Ämtern und Behörden, Arztpraxen, Banken, Grundschulen oder Handwerksbetrieben an.

„Ich durfte mein Praktikum beim Rehateam Nordbayern in Kronach machen“, erzählt Neele. „Von 08.00 Uhr bis 16.00 Uhr durfte ich dabei helfen, Schuheinlagen herzustellen, nach den Wünschen der Patienten zu variieren, anzupassen oder zu reparieren. Ich half auch beim Bedienen der Kunden oder habe Bescheid gesagt, wenn ihre Bestellungen fertig und abholbereit waren.“ Sie durfte auch zu Haus- und Krankenbesuchen mitkommen, um Kunden maßgeschneiderte Hilfsmittel herzustellen. „Am spannendsten fand ich die Haus- und Krankenbesuche“, erklärt Neele, „da die Patienten dadurch wieder Bewegungsfreiheit und Lebensqualität zurückerhalten.“

Ella hatte es in ihrer Praktikumswoche dagegen mit Steuern zu tun, sie arbeitete bei einem Steuerberater. „Ich durfte viele Bereiche wie Einkommenssteuererklärung, Buchungen, Lohnabrechnungen oder Grundsteuererklärung kennenlernen“, erzählt die Schülerin. Nach einer Woche kann sie sich gut vorstellen, eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten zu beginnen. „Auch wenn das Thema Steuern sehr umfangreich und komplex ist, finde ich den Berufszweig sehr interessant und abwechslungsreich. Man kann auch eine Weiterbildung zur Steuerberaterin später machen. Damit könnte man dann sogar eine eigene Steuerkanzlei gründen.“

Beeindruckt hat auch Neele beim Rehateam die Vielfalt der Arbeit, da immer individuelle und angepasste Produkte erstellt werden. Die Schülerin arbeitete beispielsweise mit der Hand, mit Werkzeugen oder am Computer, außerdem werden verschiedene Materialien eingesetzt wie Leder, Holz, Metall oder Kunststoffe. „Man kann sehr schön sehen, dass Roboter Menschen nicht ersetzen können“, fasst Neele ihre Erkenntnisse zusammen. „Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dort zu arbeiten. Das Team war einfach spitze.“

Die Vielseitigkeit der Arbeit gefiel auch Lena, die ihr Praktikum bei Optik Stöckert verbrachte. „Ich hätte nicht gedacht, dass man sehr filigrane Handwerksarbeiten erledigen und Brillen individuell für Kunden anpassen muss. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mich mit der Praxis zu beschäftigen. Ich kann mir durchaus vorstellen, in diesem abwechslungsreichen Beruf später einmal tätig zu werden“, fasst sie ihre Erfahrungen zusammen.

Andere dagegen schnupperten in technische Berufe. Tim beispielsweise erhielt bei HTS-Plan zum einen Einblick in das Vermessen von Baustellen oder Zusammenfügen von Geopunkten, zum anderen aber auch in den Kontakt mit Kunden. „Am spannendsten war das Vermessen des Schwimmbads in Ludwigsstadt“, erzählt Tim.

Ganz anders sah dagegen der Alltag im Praktikum von Paul aus. Er besuchte eine Woche lang die Grundschule Johannisthal. „Insgesamt hat es mir sehr gut gefallen, da es sehr spannend und abwechslungsreich war und Spaß gemacht hat. Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit. Ich musste nicht nur im Unterricht sitzen, sondern durfte auch mit ins Geschehen eingreifen. Ich habe viel aus dem Praktikum mitgenommen und konnte Erfahrungen sammeln – und ich würde gerne Lehrer werden“, zieht er seine Bilanz der Woche. Andere dagegen stellen in der Woche fest, dass der Beruf nicht zu ihnen passt.

Der Kontakt zu anderen ist auch bei Zahnärzten sehr wichtig. Lea fand in ihrer Woche das Kommunizieren mit dem Praxisteam und mit den Patienten am spannendsten. „Das Zuhören bei Behandlungen und die detaillierten Erklärungen der verschiedenen Diagnosen, die man als Arzt zu schlussfolgern hat, war wirklich interessant“, erzählt sie. „Mein Praktikum hat meine Teamfähigkeit positiv beeinflusst, denn ohne Zusammenarbeit und Kommunikation geht als Praxisteam nichts!“ Um soziale Kompetenz ging es auch bei Isabell, die eine Woche im Gasthof Bauernhannla arbeitete. „Ich wollte den Gästen einen guten Aufenthalt ermöglichen. Die Bestellungen aufzunehmen, hat Spaß gemacht. Hier musste ich selbstbewusst und professionell auftreten. Mir sind auch manchmal Fehler passiert, aus denen habe ich im Nachhinein etwas lernen können“, bilanziert die Schülerin.

Susanne Durynek ist begeistert von den Jugendlichen. „Sie suchen sich selbstständig den Praktikumsplatz und können in die unterschiedlichsten Bereiche hineinschnuppern. Bei manchen baut sich so schon der Kontakt zum späteren Arbeitgeber auf.“ Sie freut sich sehr, dass die Arbeitgeber im Landkreis so offen für die Praktikanten sind. „Es ist ja eigentlich eine win-win-Situation. Denn mit dem wachsenden Fachkräftemangel wird es für die Betriebe nicht leichter, gute Auszubildende zu finden, die hier auch beheimatet sind. So können sich beide Seiten schon einmal kennenlernen.“

Der Kontakt zur Wirtschaft wird auch in der weiteren Schullaufbahn gehalten. Am Ende der 10. Klasse entwickeln die Schülerinnen und Schüler beispielsweise im Wirtschaftsunterricht probeweise ein Geschäftsmodell und gründen ihr eigenes Startup mit Produkt, Standort, Rechtsform usw. Zudem steht ein Schnuppertag in verschiedenen Firmen und Betrieben an. Voraus geht eine Minimesse im Schulgebäude, bei der weitere Kontakte geknüpft werden können. In der 11. Jahrgangsstufe dient das P - Seminar dazu, mit externen Partnern in verschiedene Berufsfelder und Studiengänge zu schnuppern.

 

Verena Zeuß